Nachsorge in der Medizinischen Rehabilitation – Welche Erfolgsfaktoren lassen sich erkennen? Ergebnisse einer systematischen Literaturanalyse
Autor: Dr. Gundula Ernst, Medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover
Hintergründe
Wirksamkeitsanalysen zeigen, dass die positiven Effekte der medizinischen Rehabilitation meist nur kurz anhalten (u.a. Haaf 2005). Wenn Patienten den geschützten Rahmen der Rehaklinik verlassen, sehen sie sich einer Vielzahl von Erschwernissen gegenüber, die sie bei der Umsetzung und Aufrechterhaltung der neuerworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten behindern. Obwohl der Transfer in den Alltag offensichtlich Unterstützung von außen bedarf, wurde die Nachsorge in der medizinischen Rehabilitation bisher vernachlässigt und wenig systematisch betrieben (Köpke 2005, Deck et al. 2009). Erst seit einiger Zeit findet man vermehrt Nachsorgeinitiativen. Die Angebote reichen von einer stärkeren Ausrichtung der Rehabilitation auf die Zeit danach (z.B. Zielvereinbarungen, „Brief an mich“), über singuläre Booster Sessions, bei denen der Patient zur Auffrischung der Inhalte noch einmal in die Klinik eingeladen wird, bis hin zur telefonischen Nachbetreuung.
Methodik
Mit Hilfe einer systematischen computergestützten Literaturanalyse in den großen medizinischen Datenbanken (Medline, PubMed, EBMR, Cochrane, PsycINFO) sowie einer händischen Recherche in den wichtigen deutschen Zeitschriften und Publikationen zur Rehabilitation wurden alle abgeschlossenen randomisierten kontrollierten Studien der letzten 10 Jahre zum Thema Nachsorge in der medizinischen Rehabilitation herausgesucht. Die gefundenen Arbeiten wurden hinsichtlich ihrer Interventionsmerkmale und ihrer Outcomes verglichen und es wurde versucht, Erfolgsfaktoren zu extrahieren.
Ergebnisse
Insgesamt wurden neun deutsche Studien gefunden, die den Suchkriterien voll entsprachen, vier erfüllten die Kriterien weitgehend und eine Vielzahl von Projekten befand sich noch in Durchführung.
Die Nachsorgeaktivitäten waren höchst unterschiedlich. Die Hälfte der Projekte leistete telefonische Nachbetreuung in unterschiedlicher Frequenz, ein Viertel stellte stationäre Follow-up-Angebote bereit und ein Viertel kombinierte mehrere Methoden. Effekte zugunsten der Interventionsgruppen zeigten sich bei der Hälfte der Studien. Diese waren nicht durchgängig bei allen Outcome-Parametern zu finden, sondern sehr differentiell. Vergleiche der erfolgreichen Nachsorge-Angebote mit denen ohne zusätzliche Effekte erbrachten Unterschiede bei den Indikationen und bei den Interventionen. Effektiv waren im Wesentlichen Maßnahmen in Folge einer kardiologischen Anschlussheilbehandlung, die den Patienten über einen längeren Zeitraum begleiteten. Darüber hinaus waren allgemeine Patientenmerkmale wie Geschlecht und Alter von Bedeutung.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse zeigen, dass Nachsorge nicht grundsätzlich wirksam ist, sondern bestimmte Merkmale das Gelingen beeinflussen. Zentraler als der Inhalt der Intervention scheint die Dauer der Nachbetreuung zu sein. Kontinuierliche Betreuung (z.B. via Telefon) ist erfolgreicher als einmalige Follow-up-Angebote. Auch die Motivation des Patienten ist entscheidend. Das Vorliegen einer individuellen Bedrohungssituation trägt maßgeblich zur dauerhaften Änderungsbereitschaft bei. Weitere Erfolgsfaktoren lassen sich aus der Motivations- und Lernpsychologie, sowie Forschungsergebnissen anderer Bereiche ableiten.
Literatur
Deck R, Hüppe A & Arlt AC. Optimierung der Rehabilitationsnachsorge durch eine längerfristige Begleitung der Rehabilitanden. Rehabilitation 2009; 48: 39-46
Haaf HG. Ergebnisse zur Wirksamkeit der Rehabilitation. Rehabilitation 2005, 44: 259-276
Köpke K-H. Aufwerten, ausbauen und systematisieren – Eine Analyse von Situation, Reformbedarf und innovativen Projekten zur Nachsorge in der Rehabilitation der Rentenversicherung. Rehabilitation 2005, 44. 344-352.